#WEININSELN: WINE HOPPING IN HAIDHAUSEN UND DER AU


Man(n) wächst mit seinen Aufgaben. Oder nennen wir es lieber Herausforderungen. Denn gezwungen hat mich ja niemand. Ich fand den Gedanken einfach naheliegend. Wenn in einem Stadtviertel (fast) alle Weinhandlungen ein gemeinsame Programm veranstalten, schien es mir das Vernünftigste, die Orte mit dem Rad aufzusuchen. Keine Parkplatzprobleme, frische Luft zwischen den Proben und das gute Gefühl im Prinzip Sport getrieben zu haben. Bei fast 23 Kilometern Radlstrecke (inklusive Anreise vom Wohnort Rotkreuzplatz) konnte wirklich von Sport gesprochen werden. Vor allem weil meine Gazelle vieles ist - aber kein Lightweight Sportrad. Mehr so heavy duty. Mit Packtaschen und Kettenschutz. 


Die Idee der Münchner Weininseln stammt von Nicola Neumann, die unermüdlich die Werbetrommel für Inhaber geführte Weinhandlungen rührt. Und in diesem Jahr zum zweiten Mal die Weininseln veranstaltet. Nach Au-Haidhausen sind Nymphenburg-Neuhausen (08. März) und danach Schwabing (15. März) an der Reihe.



Ich hatte mich entschlossen, die Rundreise in Haidhausen von hinten zu beginnen, die Rückreise aus der Schyrenstrasse vom Vini Puri ins heimatliche Neuhausen war definitiv kürzer als aus der Neumarkter Strasse. Und wer weiss schon, in welchem Zustand man nach acht Besuchen ist ....
Nach der langen und beschwerlichen Anreise war der Kick-off für mich also im La Cantinetta, mit dem Roero Arneis "Serra Lupini" von Negro. Ein akazienduftiger Appetitanreger, im besten Sinne herb und zur Essensbegleitung geeignet. Mit Barbera d'Asti "5 Vignes" von La Morandina (für 7,98 € ein echter Glücksgriff) und Nebbiolo "Roccabella" von Eugenio Bocchino kamen gleich zwei wärmende Rote hinterher. Für ein paar Antipasti war leider keine Zeit - acht Weinhandlungen in acht Stunden sind nur mit Disziplin zu schaffen. Einen Blick in den Fassweinkeller habe ich mir trotzdem noch gegönnt. Sehenswert! Und sofort wieder aufs Fahrrad geschwungen. Schließlich wartete ein Länderspiel auf mich. Furore und rot-WEiss-rot stellten eigens für die Weininseln ein Länderspiel Deutschland - Österreich auf die Beine. Schließlich zeigt sich so das Konzept hinter dem Doppelnamen des Ladens am einfachsten. Sind doch unter "Furore" die deutschen und unter "rot-Weiss-rot" die österreichischen Winzer gelistet. 11 Winzer bzw. Weine aus den beiden Ländern konnten gegeneinander verkostet werden, um die Eigenheiten und Typizitäten anschaulich erkennen zu können. Alles natürlich blind verkostet. Christoph Biber hatte jedenfalls ein diebisches Vergnügen daran, mich (und andere Besucher) genussvoll in die Irre zu führen. 


Besonders 'hinterhältig' war es natürlich, mir mit dem Duell Riesling Vulkangestein '12 von Schäfer-Fröhlich und Riesling 1000-Eimerberg vom Weingut Gritsch auch noch zwei ungemein mineralisch-animierende Weine vorzusetzen. Da muss man ja schlucken! Also erstmal wieder aufs Rad, ein wenig Frischluft und Blutzirkulation mussten her. Die Strecke von der Neumarkter Strasse bis in die Wörthstrasse versprach es jedenfalls. War aber doch schneller bewältigt als befürchtet. Das macht die Weininseln so angenehm: Die Wege zwischen den einzelnen Weinhandlungen sind problemlos mit dem Rad zu bewältigen, teilweise sind sie sogar fussläufig - solang das Wetter mitspielt.
Meine nächste Station war das 225 Liter, wo drei junge Winzer auf mich warteten. Das Konzept von 225 Liter ist eher ungewöhnlich. Denn im Prinzip haben die Inhaber - Katrin Kohl und Stefan Grote - eigentlich 'nur' einen Onlinehandel. Für Präsentationen und Verkostungen mieten sie sich im Atelier Benda ein. 


Markus Brandt liess mich seinen Riesling Heßlocher Mondschein '12 probieren. Ein sehr präziser, klarer Wein. Spontan vergoren, mineralisch, mit fokussierter Säure. "Wein entsteht im Weinberg, im Keller muss man ihn lassen", ist der junge Mann überzeugt. Und obwohl (oder gerade weil?) er derzeit noch in Geisenheim studiert ist er der Meinung, dass Praxis im Weinberg und -keller viel wichtiger sei, als jede Vorlesung. Na wenn das die Professoren hören ... :-)


Neben dem Rheinhessen Markus stand Martin Kohl aus dem Weinviertel. Er ist besonders zufrieden mit seinem Grünen Veltliner Kittl '12. Was ich verstehen kann. Vor allem die Feuerstein Noten haben mich überrascht - schließlich wächst der Wein auf Lehm-Löss Böden. Ein sicherer Griff - vielleicht als Speisebegleiter zu den Kohlrouladen, die Mutter Marianne auf der Homepage des Weinguts vorstellt. Sehr symphatisch sind Wein, Winzer und Rezept allemal. 
Der dritte jungen Mann im 225 Liter war Markus Fischl von Ceel-Wines. Internationaler Name, internationaler Anspruch. Mit Syrah, Chardonnay und Pinot Noir versuchen die Männer von Ceel vor allem junge Trinker anzusprechen.


Der Syrah '11 zeigte sich noch etwas sperrig, viel Luft und grosse Gläser braucht er, um seine Stärken auszuspielen. Er ist kein Fruchtmonster wie viele Australische Shiraz, eher der pfeffrige, an Oliven und getrocknete Kräuter erinnernde Rhône-Syrah. Auf jeden Fall garantiert er "Saufgenuss auf höchsten Niveau" - Zitat Markus. Ich würde ihm nicht widersprechen wollen. Ausserdem gefällt mir das Konzept von Ceel Wines. Die drei jungen Männer dahinter sind zwar alle Profis im Weingeschäft, haben bei Wein & Co. gearbeitet, sind Kellermeister bei Triebaumer oder arbeiten bei Umathum. Eigene Weinberge haben sie aber nicht. Sie kaufen die besten Trauben die sie kriegen können und machen daraus ihren Wein. Mit improvisierten oder gemieteten Geräten, viel Idealismus und einem stringenten Businessplan. Wenn alles so läuft wie bisher, werden sie davon sogar leben können. Ich mag 'men with a vision' wie die Drei!


Ein paar Türen weiter wartete der nächste Winzer auf mich. Im Grenzgänger standen Clemens Waldthaler und seine eigensinnigen Weine bereit. Ein Vergnügen dem Mann zu zuhören! Seine Art zu arbeiten und zu verkaufen unterscheidet sich völlig von dem teilweise beliebigen Aussagen seiner Berufskollegen. Handlese, naturnaher Weinbau, langes Hefelager, Spontanvergärung - alle Begriffe, mit denen seine Kollegen versuchen die Kundschaft zu gewinnen, wendet er auch an. Schreibt es aber nicht auf die Etiketten oder in seine Broschüren. Er ist überzeugt, das seine Weine auch so 'gehen'. Sein Sauvignon mit den balsamischen Noten - wie eine Freundin anmerkte - steht in Südtirol wohl ziemlich einzig da. Und sollte sich wirklich gut verkaufen. Wenn man ihn denn entdeckt ...





Also wieder rauf aufs Rad und ein paar Meter gefahren. Die Wein Cantina lockte mit einem Baden - Württemberg Vergleich. Dautel gegen Salwey. Wie es der Zufall so will, saßen ein paar Freunde aus meiner monatlichen Weinrunde schon ebendort zu Tische. Und warteten auf die nächsten Weine. Angesichts der fortgeschrittenen Zeit und meines Restprogramms habe ich mich nicht dazu gesellt. Sonst würde ich wahrscheinlich jetzt noch hocken ...



Meine nächste Station: Das Mezzodi in der Steinstrasse. Kein wirklicher Weinhändler, sondern eher ein italienisches Ristorante mit ausgeprägter Weinaffinität. Was mir aber in diesem Fall mehr als Recht war. Denn endlich konnte ich mich hinsetzen und auch mal einen Happen essen. Und eigentlich wollte ich zu meinem Bruschetta mit Parmaschinken auch nur ein Wasser trinken - aber dem Drängen der unglaublich netten Dame vom Service konnte ich nicht widerstehen. Und zack - stand ein Vernacchia di San Gimigniano von der Tenuta Le Calcinale vor mir. Der mich mit seinen Mandelnoten für sich einnahm. Er überzeugte auch das Pärchen an meinem Tisch, daß wie ich auf Weininseln-Reise war. Einfach nett, wenn man unter Gleichgesinnten Erfahrungen und Verkostungen austauschen kann. 


Gestärkt und erfrischt konnte ich die beiden letzten Etappen unter die Reifen nehmen. Runter aus Haidhausen in die Niederungen der Au. Die Österia wartete mit Michael Martin, Christine Wellanschitz und einer Menge Wein ... Zum Glück ging es ja bergab, entsprechend schnell war ich vor Ort. Zum Leidwesen von Michael Martin vom Martinshof, denn er musste seinen Espresso stehen lassen. Kundschaft geht vor. Zum Glück kann ich nur sagen. Sein Sekt mit dem schönen Namen 'Friends' war für mich eine der Entdeckungen des Tages.



Mir ging es wie einem weiteren Herrn am Tisch - dieser Sekt schreit nach - Gänseleber! Ganz zarte Töne von Boytritis wie in einem Sauternes oder Barsac brachten uns zu dieser kulinarischen Assoziation. Herr Martin schwört Stein und Bein, daß er keinerlei Edelfäule im Traubenmaterial hatte. Mir egal, ich habe das Aroma immer noch auf der Zunge und werde die Kombination bei nächster Gelegenheit persönlich testen!
Eine weitere österreichische Weinpersönlichkeit wartete am Nebentisch auf mich: Christine Wellanschitz vom gleichnamigen Weingut schenkte munter ihre roten Weine aus. Mehr als zu erwarten war, wie sie betonte: "Auf diesen Ansturm war ich nicht gefasst - ich habe gar nicht genug Wein dabei!" 



Ganz so schlimm war es dann doch nicht, ihre Lagen Blaufränkisch Hussi, Well und Sonnensteig '09 waren alle noch da. Wobei mir der Letztgenannte am besten gefiel. Die Frische unter all der Frucht und Körper machte ihn zum Trinkgenuss. Und mit dem Cabernet Sauvignon '05 zeigte Frau Wellanschitz dann auch noch, wie vortrefflich die Weine des Weinguts reifen können. 
Womit ich zur letzten Station der Weininseln Rundreise komme, Vini Puri. Eine besondere Anlaufstelle für mich. Denn meine Weinliebhaberei begann mit Italien, mit Chianti Classico, den Super-Tuscans und Barolo. Um im Laufe der Jahre ziemlich zu erkalten. Zu modern, zu gemacht und zuviel Marketing-Tam-Tam hatten mir die Weine vom Stiefel madig gemacht. Mit dem Versprechen dass ich 'die neue italienische' Weinkultur kennen lernen könnte, hatte Vini Puri mich neugierig gemacht. Und was Carlo Franchi mir dann ins Glas goss, erfüllte diesen Anspruch. 


Tintilia del Molise Riserva 2009, autochthone Rebsorte, 24 Monate im Barrique. Meine Befürchtung, ein Glas gekochtes Fruchtkompott mit Vanille vorgesetzt zu bekommen, zerschlug sich umgehend. Natürlich war da präsente, süsse Frucht. Aber sehr elegant, frisch und mit schöner Säure. Das war wirklich 'neues' Italien für mich. Und irgendwie auch ein überzeugendes Ende der Weininseln. Denn was ich in 8 Stunden herumradeln und probieren gelernt habe: Münchens Weinhändler können weit mehr als nur die üblichen Weine ins Regal stellen. 


Die Bandbreite des Angebots und das Engagement der Mitarbeiter sind unglaublich, die Entdeckungen unzählig. Vor allem lässt sich mit einer solchen Rundreise sehr schnell das Argument der hohen Preise im Weineinzelhandel ab absurdum führen. Die weit überwiegende Masse der von mir probierten Weine bewegte sich preislich um die 10 € - Marke. Einige - wie der Tintilia - darüber - viele aber auch deutlich darunter. Wenn dann noch die kompetente Beratung in Rechnung gestellt wird, ist der Fachhandel nicht zu schlagen. 
Oder haben Sie schon mal im Discounter jemanden gefunden, der Ihnen einen Wein für ein bestimmtes Essen empfehlen kann?



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