WEINVIERTEL: SIE WAREN SCHON WIEDER DA


Traditionen sind etwas Wunderbares. Also wenn sie nicht langweilig sind und lediglich routinemäßig runtergespielt werden. Die traditionellen Auftritte des HSV im Münchner Fußballstadion sind so eine wirklich überflüssige Tradition. Aber es soll hier nicht um den Ballsport gehen, Wein ist das Thema. Und da gehört die jährliche Präsentation der Weinviertler Winzer zu den angenehmen Traditionen. Quasi ein 8:0 für den Genuss …


Für den Weintrinker sind Anbaugebiete, die etwas abseits des großen medialen Interesses stehen, eigentlich immer die bessere Wahl. Ganz einfach, weil hier noch Entdeckungen möglich sind, das Preisgefüge charmanter ist und die Menschen hinter den Weinen einfach ein wenig zugänglicher. Das österreichische Weinviertel ist genau so ein Gebiet, es steht immer noch im Schatten von Wachau oder Kremstal, wenn es um die internationale Reputation geht. Und das Burgenland und die Steiermark das Kamptal machen mit ihren Grünen Veltlinern, die häufig günstiger angeboten werden, zusätzlich das Leben schwer. Dabei kommt die beste Preis-Genussrelation in Sachen Grüner Veltliner nach meiner Ansicht ganz eindeutig aus dem Weinviertel. Dass die dynamischsten und ‚hungrigsten’ WinzerInnen von hier kommen, kommt dazu. Dabei hat es im Weinviertel immer noch sehr viele landwirtschaftliche Gemischtbetriebe, da stehen auch noch Viecher im Stall, neben den Reben am Berg. Aber die Strukturen des Weinviertels sind nicht das Thema, es geht bei der Präsentation vor allem um die aktuellen Jahrgänge. Auch da ist das Weinviertel vorne, sowohl in der Menge wie auch in der Qualität steht man deutlich besser da als viele Betriebe in der Steiermark oder im Burgenland. Die Fröste im Frühjahr 2016 haben dort ziemliche Schäden angerichtet, einzelne Winzer hatten 100% Ausfall zu beklagen. Ein Grund mehr also, um sich den Weinviertlern zuzuwenden. 

Den richtigen Riecher: Markus Hirschler aus dem 'Grapes'


Eigentlich müsste in München Grüner Veltliner aus dem Weinviertel regelrecht gesoffen werden“, sagt Markus Hirschler, Sommelier im ‚Grapes' und gebürtiger Österreicher. Er muss es also wissen. Die Trinkfreude, die diese Weine zum moderaten Preis bieten, sollten eigentlich ein unschlagbares Argument sein. Was nicht nur für die angesprochene Leitrebsorte Grüner Veltliner gilt. Ein Beispiel für die geschmacklichen Möglichkeiten ist das Weingut Faber-Köchl. Mutter (Maria) und Tochter (Anna) schmeissen im wahrsten Sinne den Laden auf dem Hof in Eibesthal. Mir hat vor allem die Cuvée Köchlverzeichnis 508 aus Grüner Veltliner, Weißburgunder und Riesling gefallen. Kraftvoll, würzig schon in der Nase, im Mund nussig, ein wenig reife Honigmelone, straff auf der Säure daher kommend, dazu kräftiger Druck am Gaumen. Kostet keine 10 Euro und bietet vor allem als Speisebegleiter viel Genuss. Naja, um Markus zu zitieren - saufen kann man ihn auch …

Tochter (Anna) Mutter (Maria) Gespann: Faber-Köchl


Um beim Thema zu bleiben: Auch die Reaktionen der Winzer zeigten, dass der Trinkfluss eines der kleineren Probleme der Weinviertler ist. Friedrich Weinrieder vom gleichnamigen Weingut aus Poysdorf musste zum Auto, um flüssigen Nachschub zu holen. Zufrieden stellte er fest, dass die interne Kommunikation der Besucher funktioniert: „Das zeigt sich am Wein, der ausgetrunken ist“. 
Ausgetrunken waren nicht nur seine Weine. Das kann auch an den sogenannten Winewalks liegen, die immer mehr zu einem Erfolg werden. Das typische Messebesucherproblem, nicht zu wissen wohin und wie in Kontakt treten mit Winzerin oder Winzer, wird hier elegant umgangen. Mehrere thematisch unterschiedliche Touren über die Messe, immer geleitet von einer Sommelière oder einem Sommelier, bringen die Besucher direkt zu den Ständen. So kommt man als Besucher viel näher an die handelnden Personen, die Zusatzinformationen der Weinprofis erläutern zusätzlich. Und wer einmal direkt in Kontakt mit einem Winzer gekommen ist, geht auch so schnell nicht wieder. Was sich dann im angesprochenen Weinverzehr ausdrückt. 

Da wo man singt ...

Auch in Sachen Präsentation ist das Weinviertel also weit weniger schläfrig als es sein Image vermuten lässt. Aber das ist ja ohnehin so eine Sache, mit diesem Image. Denn die Weinviertler mögen vieles sein - aber verschlafen sind sie garantiert nicht. Jedenfalls nicht so verschlafen wie der HSV bei seinen traditionellen Besuchen in München. 

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