TIME IS ON MY SIDE: DIE WEINE VON TERREBRUNE

87 Punkte. Siebenundachtzig Punkte. Das ist eigentlich das Todesurteil für einen Wein. 87 Punkte - das schaffen jeder Riesling halbtrocken oder ein durchschnittlicher Côte du Rhône Village mit links. 87 Punkte, das ist bestenfalls guter Durchschnitt, eher schlechter. Und mit diesen 87 Punkten hat der weltbekannteste Weinkritiker den 2011 Terrebrune Rot geradezu abgekanzelt. Wahrscheinlich weil er die bestimmende Rebsorte im Wein, die Mourvèdre, als nicht fertig genug erachtet. Was für eine Fehleinschätzung! 


Die Probleme mit seiner liebsten Rebsorte sind Reynald Delille, dem Chef der Domaine de Terrebrune, in Ollioules in der Region Var, natürlich nicht ganz unbekannt. Seine Weine sind schwierig, in der Jugend sperrig, bisweilen abweisend. Typisch Mourvèdre eben - und doch nicht ganz. Denn wo seine Kollegen in der Appellation durch die Beimischung von Syrah, Grenache oder Carignan dem ruppigen Charme des Bandol etwas Geschmeidigkeit und internationale Gefälligkeit beibringen, verlässt sich Delille auf die Zeit. Seine Weine sind die absoluten Schläfer unter den Weinen des Bandol. Kein Wunder, dass viele Kritiker damit nicht zurecht kommen. da ist keine jugendliche Frucht, kein Primäraromen Gewitter. Aber das kalkhaltige Terroir von Terrebrune lässt keine anderen Weine zu, sie sind nunmal sehr abweisend und streng in der Jugend und brauchen einfach 15 Jahre und mehr um ihre wahre Klasse zu zeigen.

Der «Maître de Mourvèdre»: Reynald Delille


Mourvedre ist eine Rebsorte, die nun wirklich nicht jedermanns Sache ist. Sie ergibt tanninreiche, dunkelfarbige Weine, die immer ein paar Jahre Flaschenreife brauchen, um der Tannine einigermaßen Herr zu werden. Die Rebsorte reift sehr spät, was sie für den Anbau in heißen Gebieten prädestiniert, trotzdem ist ihr Anbau bereits in der Provençe eher schwierig. Nur im Bandol, dem Anbaugebiet zwischen Marseille und Toulon, findet sie das für sie perfekte Mikroklima. Aber ein «Prince Charming» wird die Mourvèdre trotzdem wohl nie. Wenngleich ihr der Klimawandel in die Karten spielt und sie auch an der Rhône immer stärker in den dort üblichen, grenachelastigen Cuvées vertreten ist. 

Der Boden von Terrebrune: Rotbraun und voller Eisenoxid

Vielleicht spielt auch der Boden von Terrebrune eine Rolle bei der strengen, mineralisch kargen Art der Weine. «Terrebrune» heisst auf deutsch brauner Boden, roter Boden trifft es wohl eher. Wenn die Sonne auf die Weinberge scheint, leuchtet es zwischen den Rebzeilen ziegelrot. Jedenfalls wenn der Boden bearbeitet wurde. Sonst wächst auch dort jede Menge Beikraut, Terrebrune ist biozertifiziert und nimmt das sehr ernst. Der Boden strotzt vor Mineralien, vor allem Eisenoxid. Das scheint entscheidenden Einfluss auf die Weine zu haben, denn vergleichen lassen sich Reynalds Weine nicht mir denen der anderen Produzenten im Bandol. Und noch eine Besonderheit: Es werden drei Weine produziert, weiß, rosé und rot. Keine Sondercuvées, keine Einzellagen. Es gibt also keine Möglichkeit Jahrgangsunterschiede durch Verlagerung zu nivellieren, es gibt nur einen Wein pro Jahrgang, Punkt. Konsequent, aber auch nicht ohne Risiko. 



Was für die Roten Weine von Terrebrune gilt, zeigt sich auch bei den weissen Weinen: Sie sind karg, mineralisch, fast streng, reifen aber sehr gut, zeigen sich dann in kühler Eleganz. Die Cuvée besteht aus Clairette, Ugni blanc und Bourboulenc. Das besondere Mikroklima des Weinguts spielt da in die Karten: Das Meer ist in Sichtweite, kühler, frischer Wind lässt die Trauben abtrocknen, Staunässe ist ein Fremdwort. Beim letzten Besuch hat Reynald Delille einen 1999er präsentiert, der spontan an Natural- oder Orangewine Experimente erinnerte. Die blaue Libelle von Andreas Tscheppe kommt da in den Sinn, um eine geschmackliche Orientierung zu geben. das erstaunliche Reifepotential zeigen auch die Rosé Weine. Schon auf dm Rückenetikett vermerkt Delille durchaus selbstbewusst «A gardé 10 ans et plus», also 10 Jahre und mehr können seine in der Flasche so zart wirkenden Rosé Weine altern. Zwei Beispiele:

Gereifte Rosé: Ungewohnte Aromatik


  • Terrebrune Rosé 2007:  Reifenoten in der Nase, null primär Aromatik. Schmelz und Reife, Karamellbonbon, süss und laaang ... eine echte Alternative zur Gänseleber. 
  • Terrebrune Rosé 1992: Korken defekt, low shoulder ... auch deshalb Petrol in der Nase. Aber das süsse Karamell entschädigt dafür. Komplex und vielschichtig, getrocknete Aprikosen, ein Hauch Sherry-Rancio, wirklich nur ein Hauch. Macht so richtig viel Spass, es fehlte nur etwas zu Essen. Aber der größte Erfolg sind immer noch die Rotweine der Domaine. Exemplarisch ein paar Jahrgänge, die beim letzten Besuch auf dem Gut verkostet wurden: 




    • Terrebrune 2013 Rot: Sehr viel freundlicher und zugänglicher als seine älteren Brüder. Süss, fruchtbetont, Brombeere, etwas Lakritz. Auch weniger tanninreich. Hat alles, was Terrebrune auszeichnet - nur in ungewohnt charmanter Gewichtung.
    • Terrebrune 2011: Hat im Moment eine sehr verschlossene Nase, wenig Frucht, medizinal - wenn überhaupt. Auch hier wieder der mineralisch-kantige Stil des Hauses. Das Tannin sehr geschmeidig, aber präsent. Bleibt sehr lang im Mund. Schwierig zu beurteilen. Der Wein ist ein «Schläfer» - soviel ist sicher. 
    • Terrebrune 2010: Kein großer Jahrgang im Hinblick auf Tiefe und Struktur - dafür schon etwas früher zugänglich, charmanter. Vor allem als Speisebegleiter schon jetzt ein Genuss. Präsente Tannine, aber sehr fein und delikat, insgesamt ein mittelgewichtiger Terrebrune.
    • Terrebrune 2009: Bereits offen aber der klar erkennbare Stil bleibt. Terrebrune bleibt der Burgunder unter den Weinen des Bandol - in der Jugend abweisend verschlossen, gereift zur Grösse auflaufend. Deutlich spürbar bei diesem Jahrgang.
    • Terrebrune 2006: Da ist die ledrig-fleischige Nase des Mourvedre, die man von einem Bandol gemeinhin erwartet. Im Mund gibt es dennoch sogar Anzeichen von Fruchtsüsse. Aber hinten raus lauern immer noch Mengen kräftigstes Tannin. Nochmal fünf Jahre liegen lassen.
    • Terrebrune 2003: Fängt an Spass zu machen. Immer noch reichlich Tannin, aber auch kühle Frucht - und das in dem Hitzejahr! - Kirschen, etwas Brombeere. Sogar die Farbe wurde mit den Jahren heller, am Rand schon erste Brauntöne. Mit Luft jetzt gut zu trinken, wird aber relativ schnell verlieren. Innerhalb der nächsten 2 Jahre zu trinken. Am ehesten aus einem Burgunderglas trinken. 
    • Terrebrune 1990: Yippieh! That's it! Trüffel, Leder (!!), schwarze Schokolade, feine Säure, mineralisch, lang, großer Wein. Erinnert in seiner Struktur und Eleganz an einen reifen Bordeaux vom linken Ufer. Diesen Genuss erwartet der Chef auch von seinem 2011er. Ein Beleg für die Behauptung, das die Rotweine von Terrebrune 30 Jahre und länger ein Genuss sein können.

    Der Keller von Terrebrune: Zwei Handvoll großer Fässer



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